Dirk über Yoga, Männer, Goethe und Homer Simpson
Yoga für Männer ist ein Thema, das mich immer wieder beschäftigt, denn seit ich mit Yogaline angefangen habe, wurde ich immer wieder von verschiedenen Männern auf Yoga angesprochen. Einige habe ich unterrichtet, ein paar haben sich sogar ins Studio getraut und ausnahmslos alle Männer die es ausprobiert haben, waren total überrascht und begeistert. Dennoch sind Männer in Yogakursen immer noch eine Minderheit, denn die meisten von ihnen trauen sich nicht in einen Kurs mit lauter Frauen, haben Angst vor ihren Freunden das Gesicht zu verlieren, kennen die ganzen schönen Wirkungen von Yoga überhaupt nicht und sind überzeugt, dass Yoga nur etwas für Esoteriker ist. Es gibt aber einen Mann, der meiner Meinung nach ein Exempel statuiert, mit gutem Beispiel vorangeht und als Mann mit den Vorurteilen aufräumt:
… denn wenn Dirk Bennewitz ernsthaft Yoga betreibt, dann kann es doch gar nicht nur was für Mädchen sein, oder?
Dirk ist ehemaliger Bundeswehr Fallschirmjäger, praktiziert seit 35 Jahren die japanische Kampfsportart Aikido, entwickelte eine eigene Form von Selbstverteidigung und leitet auch heute noch aktiv als VIP-Bodyguard eine Firma für Personenschutz. Seit über zehn Jahren betreibt er mit seiner Frau, Andrea Kubasch (Qbi), zwei Power Yoga Germany Studios in Hamburg, unterrichtet verschiedene Yoga Workshops und bildet Yogalehrer aus.
Auch er hatte in den 90er-Jahren mit seinen eigenen Vorurteilen von singenden Yogis und vermeintlicher Yoga-Religion zu kämpfen. Dirk hat jedoch erkannt, dass Yoga eine unglaubliche ganzheitliche Wirkung auf Körper, Geist und Seele hat und dass Yoga zu praktizieren ganz und gar nicht ausschließt weiterhin ein Mann zu sein. Mit seinem Buch „Männer Yoga“ möchte er Männern zeigen, wie sie sich mit Yoga gleichzeitige körperlich fordern und mental runterfahren können. Dies schafft er mit einer Mischung der Übungssequenzen aus klassischen Asanas, Power Yoga und Kampfsport-Elementen, die perfekt auf die Bedürfnisse von Männern zugeschnitten sind.
Letzte Woche hat Dirk sich lange Zeit genommen und mir ein paar Fragen rund um das Thema Männer Yoga beantwortet:
„Die Wirkung entfaltet sich von allein und die Medizin wirkt so oder so…“
1. Warum glaubst du, trauen sich viele Männer nicht Yoga auszuprobieren? Ist es die Angst vor den Reaktionen aus dem Umfeld oder die falsche Vorstellung von Yoga?
Ich glaube, es ist von allem so ein bisschen. Ich habe das Buch „Männer Yoga“ vor vier Jahren veröffentlicht und seitdem hat sich ein bisschen was getan. Die Vorurteile können aus allen Ecken kommen, wie vor seinen Kumpels komisch aussehen oder denken, dass es nur was für Mädchen ist und die Angst davor ein bisschen blöd auszusehen. Aber so langsam glaube ich, und da bin ich auch ein bisschen stolz drauf, dass es auch bei Männern im Mainstream ankommt. Sie merken, dass die Vorteile überwiegen, es keine Leistungsshow ist und dass man nicht zu irgendwelchen Religionen bekehrt wird. Meine persönliche Erfahrung ist, dass der Männeranteil ansteigt und wir haben jetzt bei Power Yoga ungefähr 30 Prozent Männeranteil. Ich glaube nicht, dass wir hier eine große Ausnahme erleben, denn man sieht es zum Beispiel auch auf den Yoga Konferenzen, wo vor acht, neun Jahren nur ganz wenige Männer waren.
2. Du hast das Buch „Männer Yoga“ geschrieben. Mit welchen Argumenten kannst du erfahrungsgemäß Männer und die „harten Kerle“ am Besten von Yoga überzeugen und Vorurteile beseitigen?
Man muss gar nicht so viel mit esoterischem Bimbam kommen, sondern sollte eher die harten physischen Fakten sprechen lassen. So eine dynamisch ausgeführte Yogapraxis hat fast alle positiven Aspekte von Sport: Kraft, Ausdauer, Flexibilität, Elastizität. Momentan gibt es diesen Trend des „Bodyweight-Trainings“. Die Jungs wollen nicht mehr so irrsinnig Eisen stemmen, sondern mit ihrem eigenen Körpergewicht trainieren. Wenn ich erzähle, dass es beim Yoga auch darum geht und ich mit der sportlichen Seite argumentiere, dann kommen die meisten auch.
Der ganze Performance Zwang wird auch immer unwichtiger und die Männer wollen gerne einfach mal loslassen. Das muss ich nur nicht als „weibliche Seite entfalten“ beschreiben. Ich glaube auch, dass die spirituellen Effekte von alleine kommen, denn die Übungen und Asanas sind eine Form von Meditation, ohne dass man es den Leuten lange erklären müsste. Die Wirkung entfaltet sich von allein, und die Medizin wirkt so oder so. Später entwickelt sich das Interesse oft auch von alleine, wenn sie die positiven Effekte merken und dann kann man auch darüber reden. Übrigens finden vor allem Leistungssportler Yoga gut, weil die verletzungsvorbeugenden und gesunderhaltenden Effekte für sie karriereverlängernd sind. Wir bieten momentan immer wieder Männer Yoga Kurse als Specials an und in unseren regulären Kursen stört es die Jungs nicht, wenn Mädchen da sind.
3. Was sind die großen Unterschiede bei deinem Unterricht für Männer und für Frauen?
Die Männer machen in der Regel immer direkt alles, wenn ich ihnen zeige wie es geht. Ich muss sie oft fast bremsen, nicht nach der Krähe noch in den Handstand zu gehen. Bei Frauen ist das ein bisschen anders, die muss ich meistens etwas mehr motivieren. Ich bin bei Frauen in der Regel ein bisschen weicher in meiner ganzen Art zu reden. Es ist aber auch nicht bei allen so. Die Männer gehen gerne mehr auf die Kraftübungen, die brauchen Frauen aber auch und die mach ich auch mit beiden. Bei den Dehnübungen ist es andersherum. Am Ende machen wir aber eigentlich schon die gleichen Übungen und stellen es nur anders zusammen.
„Eigentlich bin ich immer nur ich selbst und sehr authentisch…“
4. Legst du auch Wert auf geistige Entspannung, Meditation und Atemkontrolle bei deinen Männer Yoga Kursen?
Ja, absolut. Das ist das gleiche Schema, denn wie gesagt, die Wirkungsweise ist sowieso da. Ich erkläre manchmal nicht ganz so viel und wenn, dann ein bisschen wissenschaftlicher: z.B. „In der Meditation werden die Gehirnwellen gemessen, das hat man schon bei Shaolin Mönchen gemacht“ – das kommt besser an. Und bei Pranayama merkt man es ja oft sehr schnell von alleine, was sich da im Körper tut und wenn wir Männer Yoga anbieten, ist das immer dabei.
5. Sprichst du mit deinem bodenständigen Unterricht, ohne den spirituellen Firlefanz und rigiden Dogmen einen bestimmten Typ Mann an?
Ich denke ich spreche schon eine spezielle Schicht an aber ich versuche das so breit wie möglich zu machen. Eigentlich bin ich immer nur ich selbst und sehr authentisch und die Leute denen es energetisch gefällt, die kommen dann schon wieder. So viel Kalkül steckt da nicht dahinter. Wenn mich aber zum Beispiel eine Firma für eine Gruppe von Aussendienstlern bucht, dann stimme ich mich schon darauf ab.
Zu mir kommen viele Sportler, die gemerkt haben, dass es ihnen bei der Performance und beim Geistigen hilft. Aber es kommen auch Fünfzigjährige mit Bandscheibenvorfall oder anderen Vorschädigungen. Auch Karrieretypen die merken, dass immer nur Laufen und Fitnessstudio nicht wirklich helfen, erkennen, dass Yoga nicht nur Bauch-Beine-Po ist, sondern auch einen Effekt auf den Geist hat. Die fragen aber gar nicht danach und merken dann irgendwann, dass sie sich hinterher besser und entspannter fühlen. Wer aber gar nicht zu mir kommt, sind Leute, die dreissig Jahre lang gar keinen Sport gemacht haben.
6. Warum kommen die Männer gerne in deine Kurse? Weil du ein Mann bist? Wegen der Verknüpfung mit Elementen aus dem Aikido?
Ich würde nicht sagen, dass Männer Männer als Lehrer präferieren, sie präferieren gute Lehrer. Aber ich glaube auch, dass jeder in bestimmte Eingabekanäle spricht. Das sieht man schon bei meiner Frau und mir, denn wir sprechen schon sehr unterschiedliche Leute an. Es kann schon sein, dass diese Kampfsport-Affinität Kredibilität bringt, weil die Jungs merken „ok das ist kein Schlappi“. Wenn ich nur „Tempelmeditationsgeschichten“ erzählen würde, dann würde auch eine anderes Klientel kommen. Ich glaube, das ist ein Gesamtbild von demjenigen der vorne steht und den Raum mit Energie füllt. Entweder fühlt man sich davon angesprochen oder nicht. Das Entscheidende ist aber authentisch und glaubhaft zu sein, wenn man da vorne steht. Ich weiß nicht, ob Männer sich eher vor Männern oder vor Frauen „genieren“ wenn sie etwas körperlich nicht schaffen. Wenn Männer sich nicht bewegen können, dann sage ich denen auch ganz ehrlich, dass sie für ihre Gesundheit daran arbeiten müssen.
„Männer wollen Helden sein und das geht natürlich nicht in unserer Gesellschaft, denn wir sind Sachbearbeiter…“
7. In deinem Männer Yoga Buch zitierst du Goethe: „Man kann nicht immer ein Held sein, aber man kann immer ein Mann sein“ – was möchtest du damit sagen?
Es gibt Archetypen. Männer wollen Helden und Krieger sein und das geht natürlich nicht in unserer Gesellschaft, denn wir sind Sachbearbeiter und so. Wir können nicht immer ein Held sein und die Oma vorm Überfahren retten. Aber wir können versuchen, wenigstens unsere Männlichkeit zu leben. Man kann immer versuchen die Heldentaten im Kleinen zu sehen. Man muss nicht immer den Drachen töten und darf ruhig versuchen in seinem Alltag mal was Männliches und Heldenmäßiges zu tun. Es ist ja ok, dass Frauen immer männlicher werden und Männer ihre weibliche Seite sehen, aber am Ende ist eine Frau immer mehr weiblich und ein Mann immer mehr männlich und ich glaube nicht, dass die komplette Anpassung in der Mitte so nützlich ist. Es geht mir dabei auch mehr um das Selbstverständnis, denn ich habe kein Problem damit, den Müll runterzubringen. Aber ich muss eben auch andere „männliche“ Sachen machen können und dürfen, genauso wie meine Frau ihre Sachen machen darf.
8. Warum ist Yoga besser oder effektiver als Fitnessstudio? Warum bringt Yoga auch die muskulösesten Männer zum Schwitzen?
Yoga ist ein klassisches Bodyweight Workout wenn man nur mal die physische Seite betrachtet. Im Fitnessstudio werden einzelne Muskelgruppen isoliert beansprucht und es macht schon Sinn, die einzelnen Aspekte zu trainieren. Ich glaube aber trotzdem, dass die gesamten Verbindungen im Körper etwas stabiler werden beim dynamischen Yoga. Das ist eine Stimulation des Gesamtsystems mit Balance, geistiger Ausgeglichenheit und physischer Reizung des gesamten Körpers mit Kraft, Elastizität und Flexibilität und nicht nur von einzelnen Teilen. Die Jungs im Fitnessstudio können 60 kg mit dem Bizeps hochziehen, aber ein paar Minuten im Krieger stehen geht nicht, denn da werden sehr unterschiedliche Arten von Muskulatur angesprochen.
Im Fitnessstudio wird auch nicht sehr viel gedehnt und das ist beim Yoga schon sehr anders. Yoga ist für mich einfach das bessere Paket, denn da ist mehr drin das man rausholen kann. Ich will nicht sagen, dass Fitnessstudio per se schlecht ist, ich gehe manchmal auch „Eisen biegen“ und Muskeltraining ist vollkommen ok – ich sage immer: „Sport ist immer besser als kein Sport“.
9. Hast du ein paar Tipps für Yogastudios, wie sie auch Männer anlocken können?
Man muss authentisch sein und auch Lust haben Männer Yoga zu unterrichten. Ich denke dann werden sich die Leute auch finden und die Jungs kommen dann schon. Ich glaube nicht, dass es allein die Studioeinrichtung ist, sondern eher die Vibes.
„Beim Yoga entdeckt man auch seine weiche Seite und ich hatte am Anfang wirklich etwas Angst, dass ich meinen Job nicht mehr machen könnte…“
10. Glaubst du, dass Frauen es sexy finden, wenn Männer Yoga machen?
Ich glaub da bin ich der falsche Ansprechpartner, da musst du die Frauen fragen Es gab so einen Kalender mit Männern die Yoga machen. Eine Frau schrieb dazu: „Die Männer sind so oder so attraktiv, egal ob sie nun Yoga machen oder nicht“. Also ich weiß nicht, ob Yoga dabei hilft. Natürlich sucht man oft nach Menschen, die auch verstehen können was man macht, aber ob ein Yogi an sich für Frauen sexy ist, das kann ich leider nicht beurteilen…
11. Welcher Mann könnte deiner Meinung nach mal dringend eine Yoga Stunde gebrauchen?
Homer Simpson Der Archetypus des einzig wahren Mannes!
Also ich glaube vielen Männern könnte es gut tun, aber ich möchte jetzt nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen.
Da kann ich vielleicht nochmal kurz erzählen, was damals bei mir passiert ist: Ich habe ja früher auch als Türsteher gearbeitet und an der Tür muss man relativ hart sein. Beim Yoga entdeckt man natürlich auch seine weiche Seite und ich hatte am Anfang wirklich etwas Angst, dass ich meinen Job nicht mehr machen könnte. Aber das löst sich auf, denn man erweitert ja nur sein Spektrum, die eine Seite löscht die andere Seite ja nicht aus, man lernt sich nur mehr kennen.
Vielen Dank für das Interview!
Weitere Infos:
… über Dirk Bennewitz und seine Projekte findet ihr hier: www.dirkbennewitz.de
… über Power Yoga Germany & den Kursplan gibts hier: www.poweryogagermany.de
… über das Buch „Männer Yoga“ von Dirk Bennewitz
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