Interview mit Young-Ho Kim von Inside Yoga

Yogaline trifft Young-Ho Kim von Inside Yoga in Hamburg

Nach einem anstrengenden, lustigen und lehrreichen Workshop mit Young-Ho Kim und Hie Kim von Inside Yoga im Flying-Yogi Studio in Hamburg, hatte ich die tolle Möglichkeit bei Tee und Kuchen Young-Ho noch persönlich kennen zu lernen und ihn für meine Leser zu interviewen. Young-Ho hat sich sehr viel Zeit genommen und mir erzählt, wie er zum Yoga kam und Inside Yoga gegründet hat, warum auch er einmal „den Boden geküsst“ hat und warum Dienstag sein perfekter Tag ist. Im Interview erfahrt ihr zudem, wieso Wurzeln für unsere Freiheit so wichtig sind und warum Spaß mega spirituell sein kann 😉

Tolle dynamische und synchrone Inside Yoga Flow Performance von Young-Ho und Hie zu Katy Perry: „I got the eye of the tiger, a fighter, dancing through the fire, cause I am a champion, and you’re gonna hear me roar….“

1. Du bist schon recht früh mit körperintensiven Sportarten wie Kampfsport und buddhistischen Philosophien in Berührung gekommen. Wie kamst du von dort zum Yoga?

Ich hab mit sieben Jahren angefangen und sehr intensiv Taekwondo gemacht, bis zum 5. Dan, dem Schwarzgurt und gleichzeitig war damals auch Zen Buddhismus ein wichtiger Bestandteil meiner Ausbildung. Zum Yoga bin ich durch einen Zufall gekommen – aber es gibt ja keine Zufälle :). Mit 22 war ich nach dem Aus einer längeren Beziehung in meiner ersten Lebenskrise und bin quasi nach Amerika zu Freunden geflüchtet. In Amerika angekommen, meinte eine gute Freundin „Wir gehen jetzt zum Yoga, komm doch mit“. Das war eine Ashtanga Stunde, danach Bikram Yoga und ich hab dann nach und nach in meinem Urlaub die ganze Yogaszene kennengelernt und war quasi angefixt. Ich habe als Student damals als Taekwondo Lehrer und Übersetzer recht gut verdient und all das Geld für meine Reisen und Workshops ausgegeben. Ab dem Zeitpunkt war ich eigentlich ein Vagabund und bin Lehrern hinterher gereist.

Workshop Young-Ho Kim

Es kamen immer mehr Anfragen als Referent und für Workshops und irgendwann kam ich an den Punkt, wo ich mich entscheiden musste, ob ich weiterhin so leben möchte oder Wurzeln schlagen will. Ich hab mich entschieden, dass ich Wurzeln schlagen möchte aber weiterhin reisen möchte. Am Wochenende bin ich daher meistens unterwegs und unter der Woche möchte ich meine Wurzeln im Studio und bei meiner Familie vertiefen und festigen und mit Schülern regelmäßig praktizieren. Sobald man eine Entscheidung getroffen hat, öffnen sich Türen automatisch. Ich habe die Entscheidung für mich getroffen und kurz danach wurde das Studio in dem ich unterrichtet habe, geschlossen. Ganz viele Leute und Schüler, fragten mich, wo ich denn jetzt unterrichte und wann sie wieder in meine Klassen kommen dürfen, das war für mich ein Zeichen. Ich habe eine Fläche gesucht und Inside Yoga Frankfurt vor sechs Jahren gegründet. Bald wieder im Dezember haben wir unser Firmen-Jubiläum.

Mein Leben verlief nicht immer gut. Vor acht Jahren, da habe ich echt den Boden geküsst. Finanziell, Familiär, Beziehung.. alles brach zusammen. Eine intensive und sehr gute Erfahrung, heute auch zu schätzen, was man hat.

2. Ihr sagt, “Wir ehren die Tradition und sind immer offen für neue Entwicklungen.” Wie schaffst du es die Balance zwischen „spirituellem“ Yoga und dem kommerziellen Yoga-Trend zu halten?

Es gibt im Buddhismus eine Anekdote von den 10 Stieren des Zen Buddhismus. Es geht darum erst mal deine Mitte und Zentrierung zu finden und wenn du beim letzten Stier angekommen bist, dann musst du wieder zurück zum Marktplatz, dich wieder ins Leben stürzen. Das ist eigentlich was ich unterrichte, meine Stunden quasi so irdisch und normal wie möglich wie auf dem Marktplatz  zu unterrichten. Ich möchte nicht so transzendental spirituell unterrichten – eher auf gleicher Augenhöhe. Ich hole die Leute erst mal da ab, wo sie Spaß haben und dann gehen wir später in die meditative Ebene rein. Erst auf der körperlichen Ebene, dann atmen, dann die Gedanken und Meditation. Unser Weg ist, erst mal über den Körper Zugang zu dir zu finden. Vom Grobstofflichen zum Feinstofflichen. Das hab ich damals im Zen Buddhismus erkannt. Meditation, Vipassana etc. ist sehr elitär. Wenige Menschen haben direkt Zugang dazu und deswegen möchte ich diese elitären Kreise brechen. Sonst wäre es so, als ob ich mit meiner Tochter die zweieinhalb Jahre alt ist, höhere Mathematik studiere.

Workshop Young-Ho KimEine Freundin von mir sagte einmal, dass ich der unspirituellste und spirituellste Lehrer bin, den sie kennt. Später in den Retreats und Workshops gehen wir schon in die Tiefe aber in den normalen Stunden wo die Menschen mich noch gar nicht kennen, da gehts erst mal um Spaß. Viele Menschen die mich noch nicht kennen, denken auch ich bin irgend so ein Clown :) Ich habe großen Respekt vor Pattabhi Jois, Iyengar und Sivananda, den traditionellen Lehrern, die den Stein des Yoga ins Rollen gebracht haben. Ein traditioneller Sonnengruß kann sich im Vinyasa auch kreativ weiterentwickeln. Für mich stehen die Menschen im Vordergrund. Yoga für Menschen – nicht Menschen für Yoga. Für die Menschen, die in einer hektischen und stressigen Zeit leben, hat sich unser Yogastil weiterentwickelt und angepasst, körperlich wie geistig.

3. Du bist sehr erfolgreich mit deinen beiden Yogazentren, hast du dabei noch genug Zeit für deine eigene Praxis und wie findest du deinen persönlichen Ausgleich? Wie sieht dein perfekter Tag aus?

Das klingt jetzt etwas unyogisch, aber mein perfekter Tag ist ein yogafreier Tag. Dienstag ist mein Tag ohne Yoga, da spiele ich mit meinen Töchtern, meiner Frau und Familie. Manchmal etwas anstrengend, aber es ist für mich perfekt und irgendwie auch richtiges Yoga. Mit Kindern geduldig sein, Spaß haben und Quality Time verbringen. Ich rolle gerne überall meine Matte aus und praktiziere gerne bei uns zwei Mal pro Woche im Studio.

4. Wie findet man geistige und körperliche Ausgeglichenheit und Entspannung in so fordernden Yogarichtungen wie dem Inside-Yoga? Was macht es so besonders?

Ich finde Yoga sollte weder meditativ noch fordernd sein. Es geht darum Balance zu finden, wie das Wort Hatha ja auch sagt. Es muss ausgleichend sein. Das heißt tiefe Entspannung kommt nur, wenn du vorher große Anspannung hattest. Das ist das Spiel von Shiva und Shakti, Yin und Yang. Ich finde Anstrengung und Meditation gehen Hand in Hand.

Viele Ruhephasen gibt es in deinen Stunden aber nicht…

Ich finde das kann man auch ausweiten. Man benutzt im Yoga, wie auch heute in der Stunde, viele Muskeln die man sonst im Alltag nicht nutzt, wie bei der Brust- oder Schulteröffnung. Auch dort geht es darum Ausgleich zu finden, auch muskuläre und körperliche Balance zu finden, damit du dich erst mal in deiner Haut wohlfühlst und danach kommt die Entspannung automatisch. Aber wenn jemand eine Verspannung hat und nur Mediation macht, dann weiß ich nicht, ob die Person sich richtig runterfahren kann. Niemand möchte mit Rückenschmerzen Vipassana Meditation machen. Das ist eher mein Ansatz: Lass uns den Körper in die Mitte bringen, die Muskeln ansprechen, die normalerweise nicht angesprochen werden und dann den Körper ins Gleichgewicht bringen. Das ist auch der Ansatz von Krishnamacharya: Mit Rückenschmerzen kannst du nicht erleuchtet werden.

5. Hast du einen Tipp für Yogaschüler, wie sie im hektischen Alltag am besten von Yoga profitieren können?

Inside Yoga Workshop mit Young-Ho KimFinde einen Yogastil, einen Yogalehrer, ein Yogastudio, wo du Spaß hast. Dann brauchst du dich nicht zu zwingen und freust dich dorthin zu gehen. Du nimmst dir die Zeit, weil es dir Spaß macht, Spaß ist die beste Motivation. Wenn du dich zwingst, dann vergiss es. Das hältst du nicht lange durch und lässt es dann sein. Ich hab herausgefunden, dass Spaß die beste Motivation in allen Ebenen ist: Beruflich, privat und beim Yoga. Spaß ist super spirituell, Spaß ist nicht nur oberflächlich, das kann dich super nach vorne bringen. Deswegen bin ich Yogalehrer. Ich hab Maschinenbau studiert und bin Ingenieur und habe mich gefragt was will ich, was macht mir Spaß? Und das war Leute unterrichten, schwitzen und mit dem Körper auseinandersetzen.
Also für mich war es Yoga und deswegen bin ich so glücklich in meiner Arbeit, denn es ist für mich keine Arbeit.

6. Wie ist es für dich, mit deinem Bruder so eng zusammen zu arbeiten?

Mein Bruder ist mein Partner. Wir sind beide schon sehr unterschiedlich, aber gleichzeitig extrem ähnlich. Manchmal müssen wir uns bei wichtigen Entscheidungen nicht mal fragen. Und wenn es nicht der Fall ist, vertrauen wir uns trotzdem. Ich kann mich hundertprozentig auf ihn verlassen. Wir haben immer alles gemeinsam gemacht. Mein Bruder war mein erster Kampf-Sport-Schüler, mein erster Qi-Gong-Schüler meiner Erster Zen-Meditations-Schüler und erster Yogaschüler. Er ist auch einer meiner Lieblings-Yogaleher. Er hat seinen eigenen Stil zu unterrichten und er kreiert Spaß in den Stunden anders als ich.

7. Was bedeutet für dich Freiheit?

Freiheit ist für mich, wenn ich Spaß entdecke *lach*. Spaß kannst du nur empfinden, wenn du frei bist, tatsächlich auf spiritueller Ebene Spaß zu haben, Freude zu empfinden. Du musst einerseits geerdet sei, gleichzeitig muss du Leichtigkeit spüren. Tiefe Wurzeln schlagen und gleichzeitig nach oben weite Äste schlagen. Die Erdung verlieren und Abheben kann schon ein Gefühl von Freiheit geben, aber du weißt im Hinterkopf auch, dass du irgendwann wieder runterfällst. Für einen kurzfristigen Rausch musst du kein Yoga machen. Die absolute Freiheit spüre ich nachdem ich Papa geworden bin. Mein Familie, meine Frau, abends spießig Essen gehen :) Also Freiheit in Struktur finden aber auch gleichzeitig mit Erdung und den Raum haben dass du dich entfalten kannst. Ohne Erdung nur schweben und das machen, worauf ich Bock habe, das ist keine Freiheit, das ist Zügellosigkeit. Mein Zen Buddhismus Lehrer hat gesagt, unterscheide zwischen Zügellosigkeit und Freiheit – wahre Freude empfindest du nicht in Zügellosigkeit. Das ist für mich sehr wichtig diese Unterscheidung.

8. Gibt es Dinge vor denen du Angst hast?

Ja, natürlich. Ich bin doch kein Superman! :) Ich hab Angst davor, dass meine Tochter krank wird, dass meine Eltern irgendwann sterben, dass ich mich verletze. Jeder hat Angst.

9. Drei Wörter die für dich Leben beschreiben

Spass, Spass und Spass? :)

*lach* ja fast. Familie, ist für mich sehr wichtig. Damit meine ich nicht nur Mama, Papa, Frau und Kind. Sondern auch die Leute in meinem Umfeld die mir Halt geben: Meine Freunde, Mitarbeiter, das sind für mich auch wirklich Freunde und Leute die nicht nur finanziell mit mir arbeiten, sondern auch in meinem Leben stehen. Dieses Umfeld gibt mir Halt und ist für mich Wurzeln, das versteh ich unter Familie. Meine Interpretation von Muladara Chakra – das Wurzelchakra ist meine Familie. Spaß, Familie, Liebe, wo kämen wir hin ohne Liebe? – das ist für mich Leben.

10. Wer wärst du gerne für einen Tag?

Darf ich auch mehre sagen? Ich wäre mal gerne Meister Joda von Star Wars. Den finde ich absolut genial. Allein seine Weisheiten, da kann leider Patanjali nicht mithalten. „There is no trying, there is only doing or not doing“- genial. Oder Bruce Lee. Vor dem hab ich Hochachtung. Nicht wegen seiner Filme sondern wegen seiner Innovationskraft, seiner Frechheit der Tradition den Rücken zu kehren und sein eigenes Ding zu machen. Der hat mit 32 die komplette Kampfsportszene auf den Kopf gestellt und ein innovatives neues System entwickelt. – Also ungefähr was du auch gerade machst? Ja genau, er hat mich ziemlich geprägt, obwohl ich nicht seinen Kampfsport gemacht habe. Ich finde ihn gar nicht mal so gut als Kampfsportler. Aber seine Ideen und sein Geist, also Philosoph ist er unschlagbar. Ansonsten wäre ich auch gerne mal Osho. Ich bin ein großer Fan von Osho und habe 100 Bücher von ihm zu Hause. Wäre ich 20 Jahre früher geboren, wäre ich nach Pune gefahren, hätte mich mit ihm auseinandergesetzte, diskutiert und gestritten. Seine Worte sind extrem scharfsinnig und die Improvisation, die schlagfertigen Antworten die er immer gegeben hat sind einfach unschlagbar. 

Vielen Dank für das nette Gespräch und Interview. Ich bin gespannt wie es bei euch weitergeht!

Mehr Infos zu Inside Yoga und Young-Ho Kim: www.insideyoga.de

Workshops & Anti-Gravity Yoga bei Flying-Yogi in Hamburg: www.flying-yogi.com

3 Gedanken zu “Interview mit Young-Ho Kim von Inside Yoga

  1. Liebe Christiane,
    das Interview ist wirklich sehr interessant und das Video ist ja der Knaller! Der Yogastil fasziniert mich total! Wirst du noch berichten, wie du den Workshop fandest?
    Viele Grüße,
    Hannah

    • Hallo Hannah,
      ich bin noch nicht sicher, ob ich noch detaillierter über den Workshop berichten werde. Könnte aus zeitlichen Gründen demnächst knapp werden. Aber evtl. klappt es ja doch noch. Ich sag dir dann Bescheid. Freut mich dass dir das Interview gefallen hat.
      Nur so viel: Der Workshop hat sich sehr gelohnt, war sehr dynamisch, fast schon tänzerisch und sehr unkonventionell zu Lounge- und Popmusik.
      Liebe Grüße Christiane

  2. Pingback: Kampfsport und Yoga bei AY10 | Yoga in Hamburg

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